„75 % mager“ oder „25 % Fett“ – zwei Wege, dasselbe zu sagen, doch sie rufen völlig unterschiedliche Assoziationen hervor. Diese kleinen Unterschiede in der Sprache, sogenannte „Frames“, prägen, wie wir die Welt wahrnehmen, Entscheidungen treffen und sogar handeln. Die Bedeutung dieser sprachlichen Feinheiten ist nicht nur ein Thema für Werbetreibende oder Politiker, sondern auch ein zentrales Forschungsgebiet. Eine aktuelle Übersichtsstudie von Flusberg et al. (2024) beleuchtet die Macht des Framings – und hat zu einer spannenden Diskussion in der Wissenschaft geführt. Was können wir daraus lernen?
The Science Behind The Story
Flusberg et al. (2024): Die Grundlagen des Framings
Die Autoren erklären, dass Framing kein Nebeneffekt der Kommunikation ist, sondern ein zentrales Merkmal. Ob in der Politik, der Gesundheitskommunikation oder im Alltag – die Art und Weise, wie Botschaften formuliert werden, beeinflusst, wie wir Informationen verarbeiten und darauf reagieren. Sie definieren drei Arten von Frames:
Kognitive Frames, die unsere Wahrnehmung und Interpretation leiten.
Semantische Frames, die durch Wortwahl und Sprachmuster aktiviert werden.
Kommunikative Frames, die bestimmte Perspektiven betonen, um eine gewünschte Reaktion hervorzurufen.
Flusberg et al. illustrieren dies mit Beispielen wie dem „Krieg gegen Krebs“, einer Metapher, die oft Dringlichkeit vermittelt, aber auch negative Folgen wie erhöhte Angst oder Fatalismus haben kann.
Der Diskurs: Antworten auf Flusberg et al.
Maia Szalavitz (2024): Framing in der Sucht – Eine Frage von Leben und Tod
Szalavitz hebt hervor, wie stigmatisierende Frames in der Suchtforschung und -behandlung den Zugang zu effektiver Hilfe behindern. Begriffe wie „Abhängigkeit“ oder „Missbrauch“ vermitteln moralische Urteile, die Menschen abschrecken können, Hilfe zu suchen. Sie plädiert für die Verwendung neutraler Begriffe wie „Substanzgebrauchsstörung“, die weniger wertend sind. Ihr Fazit: Sprache ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern ein Instrument, um Stigmata zu verringern und systemische Veränderungen voranzutreiben.
James Walsh (2024): Frames zur Förderung von Handlungskompetenz
Walsh konzentriert sich auf das Potenzial von Frames, Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit zu fördern. Er argumentiert, dass Framing-Strategien in der Politik oft paternalistisch sind, wie etwa „Nudges“, die Entscheidungen subtil lenken. Walsh betont jedoch, dass Frames auch genutzt werden können, um Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu stärken – zum Beispiel durch Botschaften, die Selbstwirksamkeit und soziale Mobilität fördern. Gleichzeitig mahnt er, die ethischen Risiken von Framing im politischen Diskurs nicht zu unterschätzen, insbesondere im Hinblick auf Polarisierung.
Diskussionspunkte und Spannungen
Während alle Autoren die Macht von Framing anerkennen, gibt es Differenzen. Szalavitz kritisiert die bisherige Praxis als stigmatisierend, während Walsh auf die potenziell manipulative Natur von Framing hinweist. Beide betonen jedoch, dass Sprache gezielt eingesetzt werden muss, um positive soziale Veränderungen zu bewirken.
Framing im deutschen Wahlkampf: Ein Praxisbeispiel
Die Macht des Framings zeigt sich besonders deutlich im politischen Diskurs, insbesondere in Wahlkämpfen, wo die Sprache gezielt genutzt wird, um Wähler zu mobilisieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. In Deutschland liefern Wahlkampagnen eine Fülle an Beispielen:
Die Grünen und die Klimakatastrophe: Begriffe wie „Klimakatastrophe“ als Eskalation der “Klimakrise” aktivieren emotionale Reaktionen und vermitteln die Dringlichkeit radikaler Maßnahmen. Das Framing zielt darauf ab, Unterstützung für umfassende Umweltpolitik zu gewinnen. (“Die vom Menschen verursachte Klimakrise wird zur Klimakatastrophe, wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen nicht drastisch reduzieren.”)
Konservative Parteien und wirtschaftliche Sicherheit: Parteien wie die CDU betonen Frames wie „Energiekrise“, die auf Ängste vor wirtschaftlicher Instabilität abzielen und einen konservativen Kurs legitimieren sollen. (“Spahn hält es nach wie vor für unverantwortlich, „sichere Kernkraftwerkle, die sauber und günstig Strom produzierten mitten in der Energiekrise abzuschalten.”“)
Polarisierung durch die AfD: Die AfD setzt auf Begriffe wie „Sozialstaatsmagnet“ oder „Umvolkung“, die gezielt gesellschaftliche Ängste und Vorurteile ansprechen. Diese Frames verstärken Polarisierung und lenken den Diskurs auf emotionale Themen (und offenbaren den antidemokratischen und verfassungsfeindlichen Kern der Partei, daher auch kein Link zu Seite.)
Die Forschung zeigt, dass solche Frames nicht nur die Wahrnehmung spezifischer Themen lenken, sondern auch die Prioritäten der Wähler beeinflussen. Flusberg et al. (2024) würden wohl darauf hinweisen, dass Frames die Grundlage für mentale Modelle bilden, die bestimmen, wie Probleme wahrgenommen und Lösungen bewertet werden.
Outro
Sprache ist ein mächtiges Werkzeug, das wir bewusst und verantwortungsvoll einsetzen sollten. Ob es darum geht, Stigmata zu reduzieren oder Eigenverantwortung zu fördern – die Wahl der richtigen Worte kann den Unterschied ausmachen. Der Diskurs zwischen Flusberg et al. und ihren Kommentatoren zeigt: Es gibt keine einfache Antwort, aber viele Ansätze, die uns helfen, bewusster mit Sprache umzugehen. Der Wahlkampf in Deutschland macht deutlich, wie entscheidend Framing für die politische und gesellschaftliche Debatte ist.
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Bis nächste Woche!
Quellen
Flusberg, S. J., Holmes, K. J., Thibodeau, P. H., Nabi, R. L., & Matlock, T. (2024). The psychology of framing: How everyday language shapes the way we think, feel, and act. Psychological Science in the Public Interest, 25(3), 105–161. https://doi.org/10.1177/15291006241246966
Szalavitz, M. (2024). Addiction: Where framing can be a matter of life and death. Psychological Science in the Public Interest, 25(3), 101–104. https://doi.org/10.1177/15291006241299319
Walsh, J. (2024). How frames can promote agency. Psychological Science in the Public Interest, 25(3), 95–100. https://doi.org/10.1177/15291006241296035
Beste Grüße und bis uns das psychologische Schicksal wieder zusammenführt,
Moritz und Nico
Wirtschaftspsychologie-Briefing